Den ultimativen Schlag aus den Conti-Tüten der alten 750 SS hat noch mancher gut im Ohr. 1974 war sie der Traum vieler Sportfahrer und der Schrecken der Vierzylinder-Boliden von Honda und Kawasaki. Ducati hat es gewagt, seinem jüngsten Spross wieder diese legendäre Typenbezeichnung zu verpassen. Die Erwartungen waren also groß, ob sich das Motorrad so supersportlich benimmt wie es das Kürzel verspricht. Nimmt man Platz, fällt sofort auf, dass Fußrasten und Lenkerhebeleien perfekt zur Hand liegen. Versammelt und nicht zu tief nach vorn gebeugt, sitzt der Fahrer locker und bequem.
Das superhandliche Fahrwerk fordert den Fahrer geradezu heraus – es giert förmlich nach endlosen Kurvenkombinationen. Dort spielt die Italienerin ihren Gewichtsvorteil von nur 191 Kilogramm, vollgetankt, aus. Selbst weitaus stärkere Super-Sportler haben alle Mühe, dem Ducati-Strich zu folgen, weil sie schwerer sind. Mühelos und scheinbar ohne Kraftaufwand winkelt der Pilot die Maschine bis an die Reigenhaftgrenze ab, ohne dass irgendein Teil aufsetzt. Gutes Handling und hohe Zielgenauigkeit gepaart mit geringem Aufstellmoment beim Bremsen in Schräglage: So wollen wir das.
Der unten offene Gitterrohrrahmen aus teurem Chrommolybdänstahl ist über jeden Zweifel erhaben. Er wird von den gemessenen 71 PS nie an seine Grenzen gebracht. Wer im übrigen denkt, dass diese Leistung für das wahre Sportsvergnügen nicht ausreicht oder wer gar Untermotorisierung vermutet, liegt falsch. Der drehmomentstarke Motor und das handliche Fahrwerk ergeben eine schlagkräftige Mischung und lehren manchen Vierzylinder-Crack auf der Landstraße das Fürchten. Derart gut gerüstet, wieselt der Ducati-Pilot durch schnelle und langsame Kurvenlabyrinthe, dass er sich fast schon auf einer Rennmaschine wähnt.
Das Haus Ducati pflegt also wieder Traditionen, und so kommt denn auch mit der neuen SS richtiges Ducati-Feeling auf. Was den roten Renner auf Bologna obendrein sympathisch macht, ist die insgesamt gute Verarbeitungsqualität.
Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen 71 PS Spitzenleistung und über 60 Newtonmeter im Bereich zwischen 3000 und 8000/min verhelfen der 750 SS zu guten Fahrleistungen. Gute Beschleunigungs- und Durchzugswerte dank geglückter Getriebeabstufung. (Testbericht PS 7/1991)